Anamnese
Vorstellung eines 10 Monate alten Mädchens wegen Kuhmilchallergie. Das Kind wurde reif geboren, erhielt keine Zufütterung in den ersten Lebenstagen und wurde vier Monate voll gestillt. Allerdings probierte die Mutter mit sechs Wochen, eine Flasche mit einer Pre-Säuglingsnahrung zu geben, weil sie eigentlich lieber teilgestillt hätte. Die Flasche wurde aber nicht akzeptiert und der Wunsch nach Teilstillen verworfen. Nach vier Monaten wurde der Mittagsbrei (Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei) eingeführt, vier Wochen später der Abendbrei aus abgekochter Vollmilch und Getreideflocken. Während des Fütterns kam es zu perioraler Rötung und Quaddeln, kurze Zeit später erbrach das Mädchen. Ein durchgeführter Pricktest auf Kuhmilch war positiv, so dass die Diagnose Kuhmilchallergie vom Kinderarzt bestätigt wurde. Eine therapeutische Spezialnahrung wurde verschrieben und eine Zuweisung zur Ernährungstherapie ausgefüllt. Eine Vorstellung erfolgte dort allerdings erst vier Monate später – und zwar nicht primär wegen der Kuhmilchallergie, sondern wegen eines selektiven Essverhaltens und fehlender Gewichtszunahme. Die Tochter lehne Breimahlzeiten weitgehend ab und esse nur ab und an bei der Familienkost mit, so dass immer noch fast vollständig gestillt würde.
Ernährungstherapeutische Einschätzung, diagnostische Überlegungen und Planung der Ernährungstherapie
Die Sensibilisierung ist vermutlich auf den Kontakt mit Kuhmilch beim (erfolglosen) Versuch, eine pre Nahrung einzuführen, zurückzuführen. Danach wurde bis zum Ende des vierten Monats weiter voll gestillt. Auch im ersten eingeführten Brei war keine Kuhmilch enthalten. Symptome zeigten sich dagegen gleich bei der ersten Gabe des milchhaltigen Abendbrei. Während eine periorale Rötung und Quaddeln auch durch Kontakt erklärbar gewesen wären, spricht das Erbrechen für eine systemische Reaktion. Wären nur Rötung und Quaddeln aufgetreten, wäre ein Nativpricktest mit Kuhmilch nicht aussagekräftig gewesen, da ein positives Ergebnis auch bei oraler Toleranz zu erwarten gewesen wäre. Durch das Erbrechen kann der Nativpricktest als ausreichend betrachtet werden, auch wenn – rein theoretisch – das Erbrechen andere Ursachen gehabt haben könnte.
Trotz Verschreiben einer therapeutischen Spezialnahrung wurde diese nicht eingeführt, weil das Kind sowohl die Flasche als auch Breie weitgehend ablehnte. Dass eine ausreichende Nährstoffbedarfsdeckung im zweiten Lebenshalbjahr ohne therapeutische Spezialnahrung (eHF bzw. AAF) kritisch ist, schien der Mutter nicht bewusst zu sein. Sie war in dem Glauben, dass ein vermehrtes Stillen den Nährstoffbedarf Ihrer Tochter ausreichend decken könne. Eine Vorstellung erfolgte insofern viel zu spät und nicht aufgrund der Sicherstellung einer ausreichenden Nährstoffbedarfsdeckung. Der Grund zur Kontaktaufnahme war der Wunsch, endlich weniger stillen zu können.
Im Erstgespräch wurde deutlich gemacht, dass ohne adäquaten Kuhmilchersatz der Nährstoffbedarf für Calcium, Jod, Eiweiss u. a. Nährstoffe nicht gedeckt werden kann. Aufgrund des Alters des Kindes und dem wachsenden Interesse für die Familienkost wurde entschieden, den Kuhmilchersatz nicht mehr über eine Spezialnahrung, sondern über andere Kuhmilchalternativen wie calciumangereicherte Sojaprodukte zu decken, eine feste Mahlzeitenroutine einzuführen und das nächtliche Stillen zu reduzieren, um die Nährstoffaufnahme von Muttermilch auf Familienkost zu verlagern. Weiterhin wurde vereinbart, schrittweise verbackene Milch in Form von Zwieback etc. einzuführen.
Empfehlung
Das Verordnen einer therapeutischen Spezialnahrung und die Zuweisung zur Ernährungstherapie bei Kuhmilchallergie sind unbedingt erforderlich. Allerdings zeigt der Fall, dass beide Maßnahmen nur dann effizient sind, wenn sie auch erfolgen. Dafür ist es wichtig, erstens die Bedeutung einer Spezialnahrung hinsichtlich ausreichender Nährstoffbedarfsdeckung und zweitens deren notwendige Überprüfung zu betonen. Dies ist vor allem dann relevant, wenn die Spezialnahrung nur für die Verwendung des Breis eingesetzt wird, aber auch wenn durch Einführung von Beikost die Flaschenmahlzeiten abnehmen. Gerade bei Kindern mit einem selektiven Eßverhalten kann die Ernährungstherapie aber auch dabei unterstützen, neue Nahrungsmittel inkl. einer therapeutischen Spezialnahrung im Speiseplan zu integrieren. Adressen von qualifizierten Ernährungsfachkräften sind wohnortnah unter www.allergie-wegweiser.de oder www.e-zert.de zu finden.
Fallbeispiel eines 10 Monate alten Mädchens mit Kuhmilchallergie. Nach einer systemischen Reaktion wurde eine therapeutische Spezialnahrung verschrieben, jedoch nicht eingeführt. Eine Umstellung auf Kuhmilchalternativen und eine feste Mahlzeitenroutine wurden empfohlen.
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