Anamnese
Vorstellung eines einjährigen Jungen wegen Kuhmilchallergie. Das Kind wurde zunächst voll gestillt, mit 4 Monaten Einführung einer kuhmilchbasierten Säuglingsanfangsnahrung. Nach ein paar Tage entwickelten sich „Pünktchen“ um den Mund herum. Daraufhin wurde das Kind dem Kinderarzt vorstellt. Der Nachweis einer Kuhmilchsensibilisierung und eine Provokation mit wenig Milch beim Kinderarzt mit dem Ergebnis einer Quaddel am Mund führten zur Umstellung auf eine therapeutische Säuglingsnahrung. Mit 10 Monaten kam es – während eines Infekts – nach Verzehr eines ¼ gekochten Hühnereis zu einer generalisierten Urtikaria. Daraufhin wurde das Kind privatärztlich vorgestellt, um weitere Sensibilisierungen abzuklären. Diese wurden für Milch, Ei, Karotte und Hafer nachgewiesen. Obwohl Karotte und Hafer regelmäßig gegessen und vertragen wurden, wurden für alle 4 Nahrungsmittel strenge Meidungsempfehlungen ausgesprochen.
Ernährungstherapeutische Einschätzung, differentialdiagnostische Überlegungen und Planung der Ernährungstherapie
Kuhmilch: Vermutlich handelte es sich bei der diagnostizierten Kuhmilchallergie um eine kontaktallergische Reaktion, die keine Meidung von Kuhmilch hätte nach sich ziehen müssen, da sonst zu keinerlei Symptomatik beobachtet wurde. Bei vielen Kindern mit kontaktallergischen Reaktionen gegenüber Kuhmilch kann die Symptomatik vermieden werden, indem das Kind vor dem Füttern um den Mund herum eingecremt wird. Eine Weitergabe – idealerweise ohne Symptomatik – hätte die bis dahin vermutlich bestehende orale Toleranz erhalten können. Durch die Umstellung auf eine therapeutische Formula muss nun davon ausgegangen werden, dass die frühe orale Toleranz nicht mehr oder nur noch eingeschränkt vorhanden ist. Aufgrund der milden Symptomatik und der bekannten Verträglichkeit von verbackener Mich bei einem Großteil der kuhmilchallergischen Kinder kann eine schrittweise Einführung von verbackener Milch erwogen werden.
Hühnerei: Auch wenn nicht ausgeschlossen ist, dass die Urtikaria (auch) durch den Infekt hervorgerufen wurde, spricht der Hergang und der Nachweis der Sensibilisierung für eine Hühnereiallergie. Aufgrund der reinen Hautsymptomatik kann eine schrittweise Einführung von verbackenem Ei erwogen werden, da auch bei Hühnereiallergie verbackene Zubereitungsformen häufig vertragen werden.
Karotte und Hafer: Empfehlung einer umgehenden Wiedereinführung, um die orale Toleranz zu erhalten. Die stumme Sensibilisierung beider Nahrungsmittel hilft, den Eltern zu erklären, dass ein als Allergietest bezeichneter Test nur Sensibilisierungen nachweist, die aufgrund der Symptomatik interpretiert bzw. auf klinische Relevanz geprüft werden müssen.
Einführung verbackener Zubereitungsformen (Milch/Ei)
Kuhmilch: Die schrittweise Einführung von Zwieback, Butterkeksen, Muffins, Parmesan sowie die Umstellung auf eine partiell hydrolysierte Formula funktionieren ohne Probleme. Bei Kontakt von Joghurt kommt es im Kindergarten zu einer Schwellung am Auge, die durch Gabe eines Antihistaminikums rückläufig ist. Der Vorfall spricht dafür, dass der Kontakt von (wenig verarbeiteter) Milch nach wie vor zu lokalen Reaktionen führt. Die Gabe von bereits eingeführten Zubereitungsformen wird beibehalten. Zusätzlich wird Milchreis erfolgreich eingeführt. Joghurt und Milch möchte die Familie später einführen.
Hühnerei: Die Einführung von Butterkeksen und Löffelbiskuit erfolgt symptomlos. Nach einem 1/3 Muffin mit 1/6 Ei flammt ein Ekzem an der Wange kurzzeitig auf, die Gabe eines 1/6 Muffin mit 1/6 Ei ohne Wangenkontakt direkt in den Mund am nächsten Morgen wird gut vertragen. Im Verlauf von 4 Monaten konnte die Menge auf einen Muffin mit 1/3 Ei gesteigert werden. Auch eihaltige Teigwaren werden inzwischen symptomlos vertragen. Die Gabe einer kleinen Menge eines für 15 Minuten gekochten Hühnereis führt zu Husten nach einer Stunde und zu Ekzemen an Bauch und Oberschenkeln am Folgetag. Auch wenn der Zusammenhang nicht eindeutig ist, da in letzter Zeit nach überstandenen Ringelrötungen häufiger mal „Ausschläge“ auftreten, möchte die Familie auch bei Ei erstmal keine weiteren Steigerungen vornehmen, sondern nur die vertragenen Zubereitungsformen regelmäßig weitergeben.
Empfehlung
Die Wünsche der Familie werden respektiert. Denn die Lebensqualität hat sich bereits durch die eingeführten Zubereitungsformen deutlich verbessert. Solange vertragene Lebensmittel regelmäßig verzehrt werden, ist gegen eine Pausierung hinsichtlich Steigerung nichts einzuwenden. Im Gegenteil, ein individuelles Vorgehen ist auch in Hinblick auf die Adhärenz anzustreben. Es wird eine Wiedervorstellung nach 4-6 Monaten vereinbart.
Fallbeispiel eines einjährigen Jungen mit Kuhmilch- und Hühnereiallergie. Nach einer Reaktion auf Hühnerei wurden Meidungsempfehlungen ausgesprochen. Verbackene Zubereitungen wurden schrittweise eingeführt. Eine Wiedervorstellung ist in 4-6 Monaten geplant.
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